Die rosaroten Flussdelfine

Die Nacht war mäßig, die Betten sind sehr klein, aber die Netze waren dicht und das Bad insektenfrei (Bettina ist mein hiesiger Spinneninspektor, sie macht das sehr gut und gewissenhaft!). Jetzt sitze ich mit Ulrike auf der Terrasse, bin schon geduscht und trinke Kaffee. Geplant ist ein Ausflug zu den sagenhaften rosa Flussdelfinen des Amazonas. Wir sind natürlich gespannt.

Carlos ist ausgesprochen hilfsbereit und als er versteht, wie abenteuerhungrig und entdeckungsfreudig wir sind, organisiert er uns einen „persönlichen Guide“, Cristian des Namens.

Cristian will uns die rosaroten Amazonasdelfine zeigen! Wir machen eine wunderschöne Bootsfahrt durch einen Seitenarm des Amazonas zum Lago Tarapoto.

 

 

Es ist wunderschön, nahezu mystisch. Der See öffnet sich vor uns, rundum der Regenwald mit seinen speziellen Geräuschen. Wir sehen viele graue Delfine, Cristian weiß genau, was er tut und wo er uns hinführt.

Es ist spannend

 

 

Dann gleiten wir in ein überschwemmtes Waldstück, es wird dunkel und eng, die Geräusche intensiv. Es ist ganz genau so, wie man sich den Amazonas vorstellt. Wie mag es wohl den ersten Europäern ergangen sein, die sich als Pioniere durch diese unglaublichen Wälder gekämpft haben. Es muss unheimlich gewesen sein, beängstigend und faszinierend zugleich.

 

 

Fasziniert sind wir allemal, alle Drei! Es ist atemberaubend, fast unwirklich. Und diese unglaubliche Vogelvielfalt! Man kann sich den Lärm kaum vorstellen, den ein Schwarm Aras bei der Rückkehr in ihre Bäume am Abend veranstaltet. Oder die Veränderung der Stimmung, wenn sich der obligatorische tägliche Regeneinbruch durch dramatische tiefhängende Wolkenformationen ankündigt.

 

 

Und einen rosa Delfin sehen wir dann tatsächlich doch! Wenn auch an anderer Stelle! Sagenhaft!

 

Eware Refugio Amazonico

Die Anlage liegt mitten im Dschungel, ist recht gepflegt und sauber. Es ist alles sehr rustikal und einfach, aber an Idylle schlicht nicht zu überbieten! Wir hatten ein Dreibettzimmer gebucht, was aber wirklich sehr klein ausfiel. Allerdings scheint es so, dass wir die einzigen Gäste sind, also können wir evtl. noch ein Zimmer dazubuchen. So die erste Überlegung. Wir schauen uns erstmal auf dem Terrain um. Eine kleine Ansammlung von Gebäuden und Hütten schart sich um ein großes Holzhaus, in dem die Zimmer liegen. Es gibt eine Waschküche, daneben ein anderes großes Gebäude mit Küche und einer Art Speisesaal. Und es gibt sage und schreibe einen Pool! Dort bleiben wir erstmal hängen und vertreiben uns die schlimmste Nachmittagshitze, indem wir den kleinen Affen zuschauen, die überall in den Bäumen rumspringen.

 

 

Danach begeben wir uns auf einen kleinen Spaziergang, um das Gelände zu erkunden. Es ist wirklich sehr schön hier. Nicht weit entfernt gibt es einen hölzernen Aussichtsturm, der einen tollen Rundumblick gewährt. (Wir sind stolz auf Ulrike, die ihrem ersten Schritt zur Überwindung ihrer Höhenangst mutig ins Auge blickt und – zwar zögerlich – aber mit eisernem Durchhaltevermögen, diesen Turm erklimmt!). Vom Turm aus sieht man die Lagune, den Wald und einen kleinen See, der sich auf dem Grundstück befindet und in dem ein junges Manatee wohnt! Wir verbringenden Rest des Tages auf diesem Turm und beobachten die Fauna, die Flora, lauschen der Geräuschkulisse, lassen jeglichen Stress von uns abfallen und die Mädels fotografieren unendlich viele verschiedene Kolibris, die ubiquitär um uns rumschwirren, man kanns nicht anders sagen.

 

 

Bevor es dunkel wird steigen wir ab (Ulrike wiederum sehr tapfer) und gehen zurück zur Unterkunft. Man fragt uns nach unserem Abendessenswunsch, es gibt zwei Alternativen des Tages, Huhn oder Fisch. Wir treffen unsere Wahl, die Köche machen sich ans Werk…(blöderweise betrete ich die Küche (auf der Suche nach einem Kühlschrank für mein Insulin) gerade in dem Moment ,als das arme Hähnchen geköpft wird. (Es hat trotzdem gut geschmeckt).

 

Mittlerweile ist klar, dass es noch weitere Gäste gibt, nämlich zwei Deutsche ( ja ist es denn zu fassen?) in unserem Alter, die auch ornithologisch interessiert sind und die wir beim Abendessen kennenlernen. Einer der beiden ist ein erfahrener Tierfotograph und Ulrike nutzt natürlich die Gelegenheit, schließt Bekanntschaft und lässt sich Tipps geben.

 

 

Das Essen ist ausgesprochen lecker. Das Bier, von dem wir ziemlich viel trinken, schmeckt auch gut. Der Abend gestaltet sich (mal wieder) lustig und wir vertilgen in unserem Übermut auch noch ein Fläschchen Rum. Als die Männer sich zurückgezogen haben ist unseren  Blödeleien dann auch kein Einhalt mehr zu gebieten (Wie kann man nur so albern sein? Man sollte meinen, im gesetzten Alter hörte das mal auf…tuts aber nicht) und wir bringen die halbe Küchenmannschaft um den Schlaf, weil wir bis in die Nacht rumgackern!

Tolle Location! Hab ich fein gemacht!!

Puerto Nariño

Abhängig von Tiefen und Untiefen hält sich das Boot vorwiegend auf der kolumbianischen Seite. Der dichte Regenwald erstreckt sich direkt bis ans Wasser.

 

 

Ab und an taucht ein kleiner Landungssteg auf, dahinter, mal mehr mal weniger erkennbar, kleine indigene Siedlungen am Wasser. Ab und zu landen wir an und Leute steigen aus oder ein. Wenn das Tuckern des lauten Motors verstummt, hört man die Geräusche des Regenwalds. Dann geht das Getucker wieder los und es geht weiter.

 

 

Ab und zu verheddert sich das Boot im Gestrüpp einer Untiefe. Dann zeigt der Fahrer sein Geschick, indem er vor und zurück manövriert, bis sich der Motor wieder von den Pflanzen befreit hat.

 

 

Ab und zu haben wir durchaus auch Gegenverkehr…

 

 

Und ab und zu geht ein heftiger Regenschauer nieder und Planen werden über unseren Köpfen zugezogen und es wird finster. Auch das hält nie lange an.

 

 

Irgendwann am Nachmittag sieht man einen kleinen Hafen und eine Siedlung. Im Boot wird es unruhig, man packt zusammen. Wir legen an und vor uns zeigt sich ein kleiner, hochmalerischer Ort.

Wir sind in Puerto Nariño!

 

Wir werden direkt am Landungssteg von Carlos abgeholt. Er stellt sich als der Besitzer der Unterkunft vor, die wir vorab gebucht hatten. Das Gepäck wird uns abgenommen und in ein Kanu geladen. Er sagt uns, wir sollten erst mal Mittag essen gehen und den Ort besuchen, er hole uns später wieder ab, die Unterkunft läge ein Stück entfernt. Mit einem ganz klein wenig Bauchweh sehen wir, wie sich unsere Rucksäcke entfernen, aber es ist hier alles derart friedlich und harmonisch und nett, dass wir keinen weiteren Gedanken daran verschwenden und erst mal durch den Ort bummeln und essen gehen.

 

 

Ein fast unwirkliches Dorf nach all den Eindrücken, die wir bislang gewonnen haben. Ein kleines bisschen touristisch aufgepeppt, aufgeräumt, adrett und sauber, leise, bunt, grün, bar jeglicher motorisierten Fahrzeuge. Wie ein großer, gepflegter Garten.

Der Ort hat keine simplen Gassen, sondern gepflasterte Wege, die Häuschen sind bunt und adrett hergerichtet und manche Familien haben ein Schild draußen hängen, dass sie Gäste bekochen würden. Wir suchen uns eines aus, man fragt uns, was wir gerne hätten Fleisch (mit Gemüse!), Fisch (mit Gemüse!), oder Suppe steht zur Auswahl, dazu ein Saft aus lokalen Früchten (auf Wunsch ohne Zucker!), der mit aufbereitetem Wasser zubereitet wird, wie man uns versichert! (Der Ort hat eine eigene kleine Wasseraufbereitungsanlage, die wir später auch anschauen und eine organisierte Mülldeponie mit Recyclingbehältern…also, wer immer der Bürgermeister war, der sich hier, mitten im Urwald, derart weitsichtig ökologisch, naturnah und modern verwirklicht hat, dem sei gehuldigt!). Das Essen ist tatsächlich schmackhaft und lecker, die Leute sind ausgesprochen nett (und, ehrlich gesagt, für unsere Verhältnisse kostet es eigentlich so gut wie nichts…).

 

 

Zur vereinbarten Zeit gehen wir runter zum Hafen, wo ein Kanu mit einem kleinen Außenbordmotor auf uns wartet und wir tuckern in eine ca. 20min entfernte Lagune, in der unsere Unterkunft liegt.

 Es ist hier derart malerisch, dass es eigentlich schon kitschig ist. Unglaublich!

Der Amazonas

 

Wir sind sehr früh aufgestanden, haben gepackt und im Hotel gefrühstückt. Ein TucTuc bringt uns zum Hafen. Der Tuctuc-Fahrer, Drigelio Cruz des Namens, entpuppt sich als redselig und erzählt abenteuerliche Geschichten von seiner 20jährigen Tätigkeit als Krankenhelfer im Regenwald. (Ulrike notiert sich schon mal seine Nummer, falls wir gegebenenfalls ein paar Tipps brauchen).

 

 

Der Hafen ist äußerst geschäftig und pittoresk. Wir erwerben ein Bootsticket flussaufwärts, was sich als gar nicht so einfach erweist, da es wenig Boote gibt und die meisten schon ausgebucht sind.

 

 

Als wir unseren Landungssteg ausfindig gemacht haben und vollbepackt über das wackelige Brett balancieren überfällt mich eine heftige Hypoglykämie (was aber gerade nochmal gutging, bin nicht ins Wasser gefallen zum Glück)!

 

 

Das Boot ist proppenvoll und wir tuckern zügig los. Wir sind auch recht schnell aus dem Siedlungsbereich draußen und der Fluss erstreckt sich in voller Breite vor unseren Augen.

 

 

Wir sind auf dem Amazonas!

 

(Ein Punkt, der noch auf meinem Lebensplan stand, kann abgehakt werden. WOW!)

 

Eine mehrstündige beeindruckende Bootsfahrt flussaufwärts beginnt. Das rechte Flussufer gehört zu Kolumbien, das linke, soweit man es bei diesem sagenhaft breiten Fluss sehen kann, gehört zu Peru. Es ist unglaublich und ganz anders als alle Bootsfahrten, die ich schon erlebt habe.

 

Leticia

Ein kleiner Flughafen mitten im Urwald. Nach der Kühle Bogotás und der arktischen Flugtemperatur läuft man beim Aussteigen aus dem Flieger erstmal gegen eine Wand.

Eine feuchte Wand aus Hitze! Von mir weiß ich aus Erfahrung, dass ich mit tropischen Temperaturen klarkomme, Bettina hatte Zweifel und Ulrike ist Hitze schließlich gewöhnt.

Aber unsere Erwartungshaltung war auf so hohem Niveau, dass wir uns mit Nebensächlichkeiten wie Klimabedingungen gar nicht erst auseinanderzusetzen im Stande gefühlt haben. Der Empfang am Flughafen ist richtig nett, man hat uns nach der Registrierung und Kontrolle ein kleines Willkommensgeschenk  zusammen mit ein paar nützlichen Informationen überreicht.

Die Taxis stehen vor der Tür und wir fahren zu einem kleinen, ruhigen Hotel am Stadtrand.

 

Jeder hat ein Zimmer mit Bad und Klimaanlage!

 

 

 

Wir haben uns eingerichtet und wollten nach einer kleinen Ruhepause die Stadt erkunden, als der erste heftige Regen niederprasselt.  Also trinken wir im Hotel erstmal ein paar Bier und machen uns ein bisschen schlau.

 

 

So ein Regen hört dann ja auch genauso schnell wieder auf, wie er anfängt und danach spaziern wir ein bisschen in Leticia rum. Ein kleiner, sehr geschäftiger Ort mitten im Regenwald direkt am Amazonas. Der Hafen dreckig, aber pittoresk, der Ort laut, aber mit gemächlichem Rhythmus.

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Nach dem Dunkelwerden fragen wir uns zu einem Restaurant durch, was landestypisches Essen serviert. Und siehe da: Yucca kann auch gut schmecken! Wir essen eine Art Pizza aus Yuccastärke mit Gemüse und Kräutern belegt. Lecker! Und nach Essen und Bier gehen wir dann auch über zu Rum (eine sehr gute Entscheidung, die uns im Laufe der Reise noch viel Spaß gebracht und vor etlichen Verdauungsproblemen bewahrt hat).

 

 

Noch ist das Klima ein bisschen anstrengend, aber ich glaube, wir werden alle keine Probleme damit haben.

Zurück nach Bogotá

Der Tag verlief mit Packen und anderen Reisevorbereitungen. Es mussten noch Gummistiefel für mich und Bettina besorgt werden, ich brauchte noch Spanngummis zur Gepäckkomprimierung. Außerdem mussten wir einkaufen (Héctor musste für die nächsten Wochen versorgt werden), die Tiere mussten noch gegen Parasiten behandelt werden (da sind wir auch die ganze Zeit nicht dazu gekommen), ein bisschen Putzen, Körperpflege u.Ä. war auch angesagt.

 

 

Die Fahrt nach Bogotá verlief reibungslos (diesmal bergauf, und ohne Hund, aber nicht so viel Verkehr) und Migue hilft wieder mit dem ganzen Gepäck. Unser Flug geht morgen früh, wir müssen noch einmal umpacken, weil wir teilweise Sachen in Bogotá lassen und nur die „Tropenausrüstung“ mitnehmen.

 

 

Wir beschließen auswärts zu essen und begeben uns zu Viert und per Taxi in eine nahegelegene Mall, in der es auch Restaurants gibt, weil Ulrike noch ein paar dschungelgerechte Klamotten braucht. Während des Essens fällt uns auf, dass auf all den großen lautlosen Screens aufgeregte Nachrichten abgespielt werden, die den Flughafen betreffen. Man sieht Menschenaufläufe, sogar Schlägereien. Ulrike und Migue können dann in Erfahrung bringen, dass eine Fluggesellschaft Pleite gemacht hat und von jetzt auf nachher nicht mehr fliegt, daher die aufgebrachte Menschenmenge! Und –

es ist natürlich unsere Fluggesellschaft!!

 

Zuhause versuchen wir dann verzweifelt herauszubekommen, was genau nun passieren wird und vor allem, was mit uns jetzt wird, was uns aber nur sehr vage gelingt. Fakt ist, dass alle Flüge dieser Gesellschaft gestrichen sind und zwei andere Fluggesellschaften Passagiere übernehmen, sofern sie dazu in der Lage sind, heißt, solange Kapazitäten da sind und dies auch nur nach Reihenfolge der persönlichen Anwesenheit!

Obwohl wir alle völlig erledigt sind und es mitten in der Nacht ist, dränge ich darauf, dass wir zum Flughafen fahren und uns vor Ort informieren. Wir packen hektisch fertig, rufen ein Taxi und fahren los, erstmal ohne Gepäck. Unterwegs wird klar, dass wir Sachen vergessen haben einzupacken (ICH HABE MEINE SPRITZEN IM KLÜHLSCHRANK VERGESSEN!) und Migue wird telefonisch beauftragt, alles einzupacken, Taxi zu ordern und uns die Sachen zum Flughafen nachzubringen.

 

 

Mittlerweile sind wir angekommen, am Flughafen herrschen wirklich chaotische Verhältnisse, teilweise „campen“ die Leute schon seit Stunden vor den Schaltern, die im Übrigen geschlossen sind, es ist Mitternacht vorbei. Wir fragen uns durch, stellen uns getrennt vor verschiedenen in Frage kommenden Schaltern an, während Bettina sich mit den Rucksäcken in eine der langen Schlangen einreiht.

 

 

Keiner weiß Bescheid, es gibt keine definitiven Informationen und es gibt hunderte von Menschen, die alle irgendwo hinwollen. Gegen 2h früh öffnet der erste Schalter und als Ulrike endlich dran ist erfährt sie nur, dass alle Flüge in den Süden belegt sind und sie bei einer anderen Gesellschaft fragen muss (es gibt nur zwei, die Chancen sinken damit um 50%!). Der andere Schalter öffnet um 4h und wir ergattern nach stundenlangem Anstehen tatsächlich ein Stand By Ticket!

 

 

Gegen 5h können wir die Rucksäcke einchecken. Für den Standby Flug sollen wir um 10h am Gate stehen. Also fahren wir mit dem Taxi nach Hause, legen uns 3 Stunden hin und fahren dann erneut zum Flughafen. Die Warterei am Gate ist nervenaufreibend aber schließlich werden doch tatsächlich unsere Namen aufgerufen. Einzeln! Wir müssen ganz schnell überlegen, ob wir nur zusammen fliegen oder auch einzeln fliegen würden…dann hats aber geklappt. Und wir fliegen sage und schreibe: 1.Klasse!

 

 

Der Flug war toll  (allerdings etwas kalt – ich glaube die Klimaanlage war auf Minusgrade eingestellt).

 

 

Unsere Laune war hervorragend, unser Zeitplan war ohne Einbußen und als wir irgendwann diesen riesigen Fluss Amazonas von oben sich durch unendliches Grün dahinschlängeln sahen, war alle Unbill der letzten 24h vergessen!

 

Ein Abenteuer beginnt mit einem Abenteuer!