Bettina ist krank

 

Wir sind zurück in Puerto Colombia, weil wir abends eine Verabredung haben. Und zwar mit irgendwelchen Cousinen Pilars (wie sollte es anders sein?) in einem Jazzclub in Barranquilla.

Wir treffen uns alle im Club, es ist offensichtlich eine gepflegte Veranstaltung, alle sind schick angezogen und es ist für Abendessen gedeckt. Wir suchen unsere Plätze auf, bestellen Essen und die Band (eine Gruppe junger Musikstudenten) baut langsam ihre Instrumente auf. Der Geräuschpegel ist zu hoch für eine Unterhaltung, Bettina und ich sitzen an einem Ende des Tisches (und sind eigentlich ganz froh, dass wir nicht so viel reden müssen), während sich die lebhafte Unterhaltung am anderen Tischende abspielt. Das Essen ist annehmbar und die Musik ist sehr gut! Leider sitze ich im Windstrahl der Klimaanlage, die auf 16° C eingestellt ist und das den ganzen Abend (es ist mir klar, dass das nicht gutgehen wird!!).

 

 

Am nächsten Morgen ist aber erst einmal Bettina dran. Mit Kranksein, meine ich. Schon das zweite Mal auf dieser Reise und diesmal richtig, mit Übelkeit und Brechdurchfall. (Sie muss sich bei Pilar angesteckt haben).

Vormittags versuchen wir noch, einen kleinen Strandspaziergang zu machen hier in der Nähe von Pilars Haus (eigentlich ein schöner, wilder Strand, wenn auch vermüllt…), aber wir geben dieses Vorhaben bald auf, Bettina ist einfach nicht in der Lage.

Wir hängen tagsüber im Haus ab, ich schreibe, erledige ein paar Sachen, Ulrike geht einkaufen, Pilar sitzt oben im Büro und arbeitet.

 

Nachdem die Hitze abgeklungen ist, machen wir einen Spaziergang zu Dritt (Bettina geht es immer noch sehr schlecht) und zwar in die andere Richtung als morgens. Nachdem wir eine ganze Weile durch diesen hässlichen Ort gegangen sind, kommt ein riesengroßer hochmoderner Platz mit viel Betrieb und nach dessen Überquerung wird es plötzlich richtig karibisch!

 

 

Kleine bunte Häuschen in der ersten Linie, Hütten am Strand, Musik. Wir pausieren in einer Bar (Sofias Bar!!) mit tollem Ausblick, nehmen einen Sundowner und sehen dem Sonnenuntergang zu.

 

 

Wir verweilen geraume Zeit und genießen diesen Abend richtig.

 

 

Dann schlendern wir langsam nach Hause und schlagartig wird es ein bisschen stressig.

Bettina ist in schlechtem Zustand, Ulrike und ich rennen nochmal zurück in den Ort, um vor Ladenschluss wenigstens noch ein paar Medikamente und Elektrolyte zu ergattern, was uns zum Glück gelingt.

Nachdem Bettina versorgt ist, ziehe ich auf das kleine (harte) Sofa im Wohnzimmer, verbringe den Rest der Nacht in einer Art Dauerhypoglykämie und hoffe, dass morgen alles wieder ok sein wird

Cartagena

 

Cartagena liegt an der Karibikküste und hat eine ummauerte Altstadt, die im 16.Jh gegründet wurde. Trotz der starken touristischen Vermarktung hat sich die Stadt ein bezauberndes Flair erhalten. Die großen Plätze im Kolonialstil, die Kopfsteinpflasterstrassen und die bunten, schön restaurierten Gebäude sind fürs Auge gefällig und strahlen Romantik aus (auch wenn es damals sicherlich nicht sehr romantisch zugegangen ist in einer Hafenstadt!).

 

 

Wir sind alle ausgeschlafen und (wieder) guter Dinge. Mit dem Taxi fahren wir in die Altstadt, was nicht sehr weit von unserem Appartement weg ist. Es ist sehr nett hier und

brütend heiß.

 

(Ich habe ganz kurz einen kleinen Schwächeanfall, habe immerhin seit 2 Tagen – aufgrund des unzureichenden Angebotes – kaum was gegessen, kann den aber gut verbergen und erhole mich recht schnell wieder, als wir in die ersten klimatisierten Geschäfte gehen. Und nach einem vernünftigen Essen später geht es mir wieder gut).

 

 

Nachmittags schlendern wir durch die Altstadt, gehen ein bisschen shoppen (hier kommt dein Hut ins Spiel, Dorothee!), trinken Bier und fotografieren viel.

 

 

Am Abend gehen wir ins Appartement zurück, Pilar und Bettina sgehen schwimmen im Pool, Ulrike und ich gehen zum Strand. Den restlichen Abend sitzen wir wieder zusammen auf unserem Balkon und gegen 22h muss ich (mal wieder) aufgeben und gehe schlafen.

 

Pilar ist krank

Es ist früher Morgen. Die Familie kommt mit Fress-Tüten unterm Arm zur Tankstelle. Es wird Frühstück ausgepackt und Taschen mit Wegzehrung ins Auto geladen ( Bollos!!). Es folgt ein emotionaler Abschied und dann

sind wir weg.

 

Das Etappenziel ist San Jacinto, ein Ort in dem traditionell Kunsthandwerk betrieben wird, insbesondere Taschen und Hängematten.

 

 

Wir wollen unbedingt einkaufen! Bettina und ich bummeln durch die Läden, sehen uns eine der Werkstätten an, schauen uns nach einem Restaurant fürs Mittagessen um, während Ulrike bei Pilar bleibt, die nicht aus dem Auto steigen will, weil sie sich nicht wohl fühlt. Ich verliebe mich in eine riesige traditionelle Hängematte, die ich meiner Schwester mitbringen will, und nach längerem Verhandeln (mit Weglaufen und Zurückkommen und so) erwerbe ich (nebst Anderem) das Stück.

Gloria, wenn du das liest, hier gibt’s Information über deine Hängematte:

https://artesaniasdecolombia-com-co.translate.goog/PortalAC/Noticia/colombia-artesanal-tejeduria-de-san-jacinto-elaborando-hamacas_12109?_x_tr_sl=es&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc

 

 

Zu einem gemütlichen Mittagessen kommt es dann aber nicht. Pilar will weg, zum einen fühlt sie sich nicht wohl, zum anderen ist ihr der Ort nicht geheuer (sie ist ein sehr ängstlicher Mensch, möglicherweise ein Nachwehen aus der Zeit während des Guerrilla Krieges in Medellin).

Trotz Unwohlsein will sie aber fahren (ich sage nur eins: Lebensgefahr!) und erst nach einer geraumen Weile gibt sie freiwillig das Lenkrad ab. Offensichtlich ist ihr etwas beim Essen am Vorabend in Mompox nicht bekommen. Da sie als Einzige von uns frischen Saft (ich glaube sogar ein Milchmixgetränk) getrunken hat, drängt sich der Gedanke an eine Lebensmittelvergiftung auf. Sie hat sich dann auf dem Rücksitz gesund geschlafen und Ulrike ist gefahren, so dass die Reise recht angenehm war.

Zumindest bis kurz vor Schluss! Dann ist sie nämlich munter aufgewacht und hat das Steuer und die restliche Strecke übernommen (ein Wunder, dass wir lebendig angekommen sind!).

 

 

Unser Appartement in Cartagena, was wiederum von irgendeiner Cousine von Pilar organisiert war, ist super! (Ulrike meinte, Pilars Cousins und Cousinen sollten eine Reiseagentur gründen…) Im vierten Stock in einer riesigen Anlage direkt am karibischen Strand wohnen wir in einer Ferienwohnung mit 2 Doppelzimmern, zwei Bädern, Küche, Wohnzimmer und Balkon.

Wir gehen erstmal alkoholische Getränke und Snacks einkaufen und sitzen dann den restlichen Abend auf unserem Balkon.

Morgen ist die Altstadt dran.

 

Mompox

 

Es geht direkt am nächsten Morgen weiter. Frühstück im Privathaus der Familie. Heute morgen nur der engere Familienkreis, sechs oder 8 Leute und wir. Es gibt Fleisch! Zur Feier des Tages zu Leder gebratenes Schweinefleisch in großen Mengen. Und Yucca, und Bollos (ein widerlicher, in Blättern geschmorter Teig aus Maisstärke) und gesüßten Kaffee. Und natürlich Mangos in allen Reifestadien, ich vergass zu erwähnen, dass Mango – Saison ist, die Welt um uns herum strotzt vor reifen Mangos, sie sind sozusagen allgegenwärtig.

 

 

Wir sind nach wie vor Mittelpunkt. Und heute beschenkt Yvón uns alle, mit allem Möglichen. Ulrike bekommt eine tolle Umhängetasche, ich bekomme einen traditionellen Poncho, und Bettina wird weiter umgarnt und in Beschlag genommen und muss sich regelrecht wehren, um nicht auch noch als Alleinerbin der Tankstelle eingesetzt zu werden.

 

 

Ein bisschen anstrengend ist das ganze schon…Ulrike und Bettina haben das in der Form noch nicht erlebt und ich muss sagen – seit meiner Jugend und „Interrail“-Zeit – ich auch nicht mehr.

 

 

Es ist später Vormittag als wir endlich loskommen, um nach Mompox zu fahren und wir kommen natürlich in der größten Mittagshitze dort an.

 

 

Das historische Zentrum der Stadt wurde 1995 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt und eigentlich wollten wir alles Mögliche anschauen. Aber es ist zu heiß. Wir schaffen es die Iglesia Santa Bárbara (erbaut 1613) zu besichtigen und, mit etlichen Bierpausen, etwas von der gut erhaltenen (und vielerorts sehr schön restaurierten) kolonialen Architektur der Innenstadt zu bewundern. Wir haben es auch noch geschafft, Bettinas verlorenen und leicht beschädigt wiedergefundenen Ring in eine Werkstatt zu bringen (Mompox ist auch berühmt für seine Goldschmiedearbeiten), aber

 dann hat die Hitze gewonnen.

 

Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit einer Flussfahrt auf dem Rio Magdalena Es ist ein touristischer Ausflug (mit Bademöglichkeit in einem so genannten Ciénaga, eine Art  See, und während ein paar Leute in dem hüfthohen trüben und warmen Wasser baden, verschmoren wir fast auf dem Boot), aber die Fauna, die wir – zum Teil in kleinen engen Nebenarmen des Flusses – passieren, ist absolut toll!

 

 

Ich sehe Dutzende (wenn nicht erheblich mehr!!) von Leguanen, die – in allen Farbtönen und zum Teil riesengroß – überall am Flussufer vorkommen. Ich bin fasziniert, diese Tiere in Massen zu sehen ist wirklich besonders. Wir sehen Brüllaffen, viele,viele Vögel und einen Kaiman.

 

 

Am Abend sind wir zurück in Mompox und suchen uns ein Restaurant aus, in dem ein bisschen differentere Speisen angeboten werden, eine Art Crêperie. Das Essen ist zwar auch furchtbar, aber wenigsten gibt es etwas ohne Fleisch und Bollo.

Die Kühle des Abends genießend spazieren wir noch ein wenig durch die Stadt, shoppen ein bisschen und kaufen als Mitbringsel (und auf Pilars Rat hin) für die Familie eine große bunte Sahnetorte. Es ist spät, als wir zurück in Guamal sind und die Leute sind eigentlich schon im Bett, als wir klingeln, sodass wir uns relativ schnell wieder aus den Fängen befreien können.

Zurück an der Tanke sind wir alle sehr schnell in unseren Zimmern verschwunden. Das waren zwei ziemlich anstrengende Tage muss ich sagen, so nett auch alles gemeint war.

Morgen geht’s weiter!

 

Guamal

Eines unserer Ziele im nördlichen Kolumbien war von Anfang an Mompox, eine alte Stadt aus der Kolonialzeit am Rio Magdalena. Um dieses Ziel zu erreichen ist ein „Umweg“ über Guamal geplant, eine Gemeinde ca. 40 km weiter südöstlich von Mompox, da in diesem Ort Verwandtschaft von Pilar wohnt und wir dort unterkommen können. Wie immer war geplant früh loszufahren, wie immer sind wir dann im Laufe des Vormittags losgekommen.

 

Was für eine Fahrt!

 

Acht Stunden Autofahrt auf schlechten Straßen mit einer Fahrerin, die weder das Auto beherrscht, noch in irgendeiner Form Einsicht zeigt, dass dem so wäre.

 

 

Dazu muss man vielleicht erwähnen, dass Autofahren in Kolumbien nichts mit der gleichen Tätigkeit in Europa gemein hat. Möglicherweise gibt es Verkehrsregeln, aber selbst wenn dem so sein sollte, weiß es entweder niemand oder es interessiert keinen. Will sagen, jeder kämpft ums eigene Überleben auf der Straße (inklusive all dieser Hunde natürlich, die ständig die Verkehrswege kreuzen), nur beherrschen die Einen diesen Kampf besser, als die Anderen.

 

 

Bettina und ich sterben einige Tode auf dem Rücksitz und haben abends fast schon blaue Flecken an den Unterarmen vom vielen Händehalten und -drücken durch den lebensgefährdenden Fahrstil dieser Frau. Alle paar Stunden konnte Ulrike mal das Steuer übernehmen und wir konnten uns ein wenig erholen, aber Pilar hat sich den Platz hinterm Lenkrad immer wieder zurückerobert.

 

 

Als wir in Guamal ankommen ist es dunkel. Mit der magischen Frage: „La Bomba de Gabriel“? fragen wir uns durch zu Pilars Cousin, der Tankstellenbesitzer im Ort ist.

Wir finden die Tankstelle, wir treffen Gabriel und dann geht’s los!

 

 

Ein Riesen-Hallo! Man stellt sich vor, man küsst sich, man umarmt sich, man freut sich. Nach und nach kommt die ganze Familie zusammen, rund um die Zapfsäulen werden Stühle aufgestellt, Bier wird ausgegeben, ein Riesenpalaver beginnt, da auch Pilar die Verwandtschaft wohl lange nicht gesehen hat.

 

 

Bettina und ich sind erstmal wie erschlagen, zumal wir kein Wort von dem verstehen, was um uns herum geredet wird. Wir schauen uns vorsichtig um und sind erstmal etwas skeptisch, wie wir hier wohl die Nacht verbringen werden. Hinter uns gibt es eine Reihe von Motel -Zimmern für die Lastwagenfahrer, die Lebendvieh transportieren und hier Rast einlegen und ein paar Stunden schlafen. (Die Transporter mit den Todgeweihten stehen auch um uns herum, zum Glück schreit das Vieh nicht).

 

 

Das alles geht eine ganze Weile so weiter, bis der erste Kasten Bier geleert ist und alle akuten Neuigkeiten ausgetauscht sind.

 

 

Dann werden wir in ein Restaurant eingeladen, offensichtlich das Beste vor Ort. Dort geht das Ganze dann weiter. Wir sind tatsächlich eingeladen, wir können uns nicht dagegen wehren, es gibt Essen und Bier ad libidum.

 

 

Die ganze Familie ist entzückt, dass sie Europäer bei sich aufgenommen haben und es kommen Leute vorbei, um uns zu bestaunen und um Gabriel und seine Frau Yvón dafür zu beglückwünschen.

Yvón hat besonders an Bettina einen Narren gefressen! Schon während des Essens lächelt sie Bettina dauernd verzückt an und beginnt damit, sie zu beschenken. Es fängt mit einem Fingerring an (den Bettina dann überflüssigerweise noch im Restaurant verliert und dessen Suche an die zwanzig Leute auf die Knie zwingt und am Boden rumkriechen lässt…zum Glück wurde er wieder gefunden!) und geht dann auch am nächsten Tag so weiter.

 

 

Zurück an der Tankstelle hat sich unsere begründete Befürchtung, dass wir in einem dieser heruntergekommenen Motelzimmer übernachten müssten, in einen erleichternden Glücksmoment aufgelöst: in einem großen schönen Innenhof des Tankstellengrundstückes gab es eine neugebaute Anlage mit nagelneuen Zimmern. Jede von uns bekommt ein Einzelzimmer mit Klimaanlage und Badezimmer en suite!

 

Hallelujah!